Mein Leben in der emotionalen Abhängigkeit.
Krise. Absturz. Verzweiflung. Hoffnung. Abstinenz. Besserung. Krise. Absturz. Verzweiflung … So verlief das Leben von Michelle Nagy zwischen ihrem 15. und 24. Lebensjahr. Sie erlebte eine nahezu unglaubliche emotionale Achterbahnfahrt, die sie mehrere Male fast ihr junges Leben gekostet hätte. Sie lässt nichts aus: Von Selbstverletzung bis zu Selbstmordversuchen, von Drogen- über Medikamenten- bis zur Alkoholsucht, von Vergewaltigungen bis zur Prostitution führt Michelles Lebens- und Leidensweg. Sie kennt die Ursache ihrer so schiefen Bahn und kann sich doch selbst nicht retten: Es ist ihre emotionale Abhängigkeit von Alexander – ein zentraler Aspekt ihrer Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Das Buch beginnt mit Michelles erster Begegnung mit Alexander, einem wesentlich älteren und verheirateten Regisseur für soziale Dokumentarfilme. Ab nun drehen sich all ihre Gedanken nur noch darum, ihn als Freund und Partner für sich zu gewinnen. Kein Preis ist zu hoch, kein Absturz zu tief, keine Demütigung zu erniedrigend bei ihren Bemühungen, ihn an sich zu binden. Ob Schule, Freunde, andere Partner, die Ausbildung oder die Familie – nichts kann sie davon abbringen, Alexander nahe zu sein. So stolpert sie von einer Katastrophe in die nächste, wirft ihre Lehre hin, bekommt mit 19 Jahren einen Sohn, wird von einem gewalttätigen Partner beinahe umgebracht, verlobt sich und hebt die Verbindung wieder auf, beginnt eine Therapie nach der anderen und bricht immer wieder ab. Aber alles nicht einmal in, sondern ‚hinter seinem Schatten‘ – denn unter dem Vorwand der Fürsorge für Michelle nutzt Alexander die Situation zu seinen Gunsten leidlich aus. Dass er sie dadurch benutzt und missbraucht, wird ihr erst Jahre später klar.
Michelle nimmt uns als Leser:in mit – sie hält uns aber nicht nur an der Hand, sondern lässt uns gleich komplett in ihre Haut schlüpfen! Dieses Buch ist geschrieben wie ein Protokoll, wie ein Geständnis, eine Autobiografie: Mit ihren Briefen, Tagebuch-Einträgen, SMS, WhatsApp-Nachrichten und Mails lässt sie uns Einblick nehmen in ihre ganze, chaotische Gefühlswelt. Diese Rückblenden sind sehr subjektiv und damit werden auch viele ihrer Kurzschlusshandlungen – aus ihrer Sicht – nachvollziehbar. Ein mutiges Buch – breitet sie doch ihre innersten Wünsche, ihre ganz persönlichen Ängste, ihre intimsten Begehren vor den Leser:innen aus. Das mag für manche „harter Tobak“ sein und ist möglicherweise nicht unbedingt etwas für zart Besaitete …
Eine Frau, die sich aus den tiefsten Tiefen ein Stück Normalität zurückerobert hat.
Ein unbedingt lesenswertes Buch einer Autorin, von der noch viel zu hören sein wird.